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Bei der Deutungsübertragung ist es wichtig, dass sich neurologische Allgemeingültigkeiten unter veränderten Bewusstseinszuständen auf ähnliche Weise manifestieren. Diese Allgemeingültigkeiten hat werden in dem „neurologischen Modell“ beschrieben ( Lewis- Williams & Dowson 1988). Demnach ist jeder Mensch dazu in der Lage, Rauschzustände erleben und sich daran erinnern zu können. Diese Tatsache geht auf die neuronale Struktur des menschlichen Gehirns zurück. Sie zeigt die Entwicklung mentaler Bilderwelten von klaren zu tieferen veränderten Zuständen an. Da jungpaläolithische Menschen anatomisch "modern" waren, werden sie diese Erfahrungen auf dieselbe Weise wahr- genommen haben wie wir es tun. Rauschzustände kann man durch „Hyper-Erregung“ oder einen „Hyper-Ruhezustand“ erreichen. In beiden Fällen kommt es zu einer Verlangsamung der summierten elektrischen Aktivität im Gehirn. Pathologische Veränderungen am Skelett können die Ursachen für Trancezustände sein. Es ist nicht unüblich, dass Schamanen K ÖRPERLICHE B EHINDERUNGEN besitzen, die ihnen das Eintreten in Trance "erleichtern". Das neurologische Modell gliedert Trance in drei Phasen. In der ersten Phase werden GEOMETRISCHE F ORMEN wie Punkte, Zickzackstreifen, Gitter, parallele Linien und Mäanderlinien wahrgenommen. Diese Erscheinungen werden als Phosphene bezeichnet. Es handelt sich um L ICHTWAHRNEHMUNGEN , die nicht durch das Licht, sondern durch andere Reize auf den visuellen Cortex des Gehirns verursacht werden. In der zweiten Phase können diverse S YMBOLE UND GEOMETRISCHE F ORMEN zugeschrieben werden. Diesen Halluzinationen kann der Betroffene einen Sinn abgewinnen, weil religiöse bzw. gefühlsmäßige Bezüge vorhanden sind. Beispielsweise können sich Zickzacklinien zu einer Schlange zusammenfügen. Schließlich gelangt der Schamane in der dritten Trancephase in eine Art S TRUDEL O DER T UNNEL /V ORTEX , einen Wirbel, der ihn ansaugt. Nun werden tief reichende Erfahrungen wie die Vermischung von Formen und die Wahrnehmung von Synästhesien, das Verlassen des eigenen Körpers und das Eintreten in andere Wirklichkeit erlebt. In Trancezuständen treten optische, somatische und akustische H ALLUZINATIONEN auf. Zu den optischen Halluzinationen gehört, dass Objekte größer oder kleiner erscheinen als sie eigentlich sind. Man spricht hierbei von Macro- und Micropsia. Zudem werden oft Tiere gesehen, sogenannte Z OOPSIA . Häufig erscheinen visuelle Halluzinationen palimpsestartig übereinander. In jungpaläolithischen Höhlenmalereien ist es keine Seltenheit, dass sehr viele Darstellungen übereinander dargestellt werden. Man weiss letztlich nicht mehr, was zuerst dargestellt wurde und welche Malereien sich aufeinander beziehen. Schließlich sind in den Höhlen Darstellungen, die sich den eigenen Körper beziehen. Es handelt sich hierbei um S OMATISCHE H ALLUZINATIONE n. Bei solchen Halluzinationen haben die Betroffenen das Gefühl, dass sich ihr eigener Körper verwandelt bzw. verändert. Man spricht vom sogenannten „ shapeshifting “. Im Zuge dessen nimmt der eigene Körper plötzlich die Gestalt eines Tieres an. Hinzu kommt, dass man in Trance oftmals fließendes Wasser wahrnimmt und das Gefühl hat, zu schweben bzw. im Was ser zu schwimmen. Daher ist es nachvollziehbar, dass gerade Wasservögel wie Enten im Schamanismus eine besondere Rolle spielen. Wie kommt aber nun diese veränderte Wahrnehmung zustande? In erster Linie ist ein Teil des limbischen Systems hieran beteiligt: das Corpus amygdaloideum (kurz Amygdala ). Es ist mitunter für die Orientierung im Raum sowie für das Empfinden von Furcht und Aggression verantwortlich. Der Schamane gelangt letztlich in einen Zustand, indem er seinen Geist von seinem Körper lösen und in eine P ARALLELWELT reisen kann. Weil diese Trennung gefährlich ist, ist er auf H ILFSGEISTER angewiesen. Nach Lewis-Williams sind Seancen grundsätzlich zweckgebunden gewesen. Zu den Kernaufgaben zählten die Kontaktaufnahme zu übernatürlichen Kräften, die Kontrolle über lebende Tiere, Heilung von Kranken und eine Einflussnahme auf das Wetter. Nach Lewis-Williams könne man an den folgenden Kriterien beweisen, dass es im Jungpaläolithikum Schamanismus gegeben hat: 1 . Die Kunst stammt von anatomisch modernen Menschen. Das neurologische 2 . Modell ist folglich auf ihre Kognition anwendbar. 3 . Es gibt Darstellungen von Mischwesen. 4 . Die Platzierung der Bilder erfolgte zum Teil tief in den Höhlen. 5 . Die variierenden und intimen Beziehungen zwischen den Bildern sowie zwischen den unterirdischen Oberflächen. 6 . Die verschiedenen Arten, wie die Wände und Passagen der Höhlen angefasst und behandelt wurden. 7 . Die unterschiedliche Nutzung verschiedener Höhlenbereiche für bestimmte Dar- stellungen. 8 . Letztlich das gleichzeitige Auftreten von geometrischen Zeichen und gegen- ständlichen Abbildungen.
Schamanen | II
Schamanen
Das neurologische Modell
upDate: 15.11.2020

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