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Einführung Innere Grenzerfahrungen, gestörte Entwicklungsprozesse, persönliche Wandlungs- krise: >> I NITIATIONEN FINDEN HEUTE STATT << . Hartmut Kraft untermauert seine These durch mehr als ein Dutzend aktueller Beispiele und durch historische Beispiele aus den Bereichen der Mythen und Religionen (u. a. Gilgamesch, Odin, Jesus Christus), der Psychotherapie (u. a. Sigmund Freud und C.G. Jung) und der Kunst und Literatur (u. a. Joseph Beuys). Das Grundmuster der Initiation als einer >> W ANDLUNGSKRISE <<, die in eine neue soziale oder berufliche Stellung hinführt, findet sich bei den Initiationen der Schamanen. Über alle zeitliche und kulturelle Unterschiede hinweg lässt sich eine Dreischichtigkeit des Initiationsablaufes herausstellen, dessen Ergebnis als >> P LUSHEILUNG << bezeichnet werden kann, als ein Zugewinn an psychischer und sozialer Kompetenz. Krankheiten als Chance zur Entwicklung und Reifung werden in unserer westlichen Kultur ebenso wenig beachtet wie die Grenzen, an die wir bei der Interpretationen mancher ungewöhnlicher Phänomene des Initiationsablaufes stoßen (z.B. bei Wiedergeburtserlebnissen, Gedankenübertragungen, Geister und Gottesbegeg- nungen).
Über innere Grenzen Initiation in Schamanismus, Kunst, Religion und Psychoanalyse Hartmut Kraft
Initiation Richtungsweisende Entwicklungen beginnen nicht immer und nicht nur –mit bewussten Überlegungen und Entschlüssen, sondern oft auch mit tiefgreifenden geistigen-seelischen Krisen. Davon wird bereit in Märchen, Mythen und den heiligen Texten der Weltreligionen berichtet. Aus (Auto-) Biographien erfahren wir darüber hinaus, dass z.B. S IGMUND F REUD bei aller kreativen Leistungsfähigkeit - sich oft sehr krank und einsam fühlte, als er Ende de 19. Jahrhundert die Grundlagen der Psychoanalyse entwickelte. Von J OSPEH B EUYS wiederum ist bekannt, dass er eine schwere depressive Krise durchlebte, in der sich wesentliche Elemente seiner später bahnbrechenden künstlerischen Arbeit entwickelten. Die Liste der Beispiele lässt sich bis in unsere Tage zu ganz aktuellen Beispielen verlängern, sowohl hinsichtlich krisenhaft verlaufender Berufs- und P ERSÖNLICH - K EITSENTWICKLUNGEN als auch hinsichtlich entsprechender Darstellungen in den künstlerischeren Medien. Entwicklungen, die sich nicht kontinuierlich, sondern krisenhaft verlaufen, sind unterschiedlich bezeichnet worden. Als ein rein beschreibender Begriff bietet sich >> TRANSFORMATIVE K RISE >> an, was ehesten mit >>W ANDLUNGSKRISE >> oder auch >>W ENDEKRISE << übersetzt werden könnte. Aus jeweils verschiedenen Blickwinkel wird auch von >> schöpferischen Krankheit<<, von der >> Arbeit an der inneren Neugeburt<< und vom >>schöpferischen Sprung<< gesprochen sowie von Initiation mit Übergangs – und Schwellenriten. Einen breiten Bekanntheitsgrad hat dabei am ehesten der Begriff I NITIATION erreicht.[...]
Séperation,Löslosung, Marge - Plusheilung […] Unter Initiation verstehen wir die individuelle oder kollektive Einführung in eine N EUE L EBENSPHASE (z.B. Übergang von der Kindheit zum Erwachsenensein, Heirat), in ein neues heiliges oder profanes Amt( z.B. Schamane, Priester) oder in ein neue Gruppe (z.B. Geheimbund, Orden): >> Einweihung, Initiation ist lebendige Umstimmung, Einstimmung auf Gehalte, Wesen, Numina, die durch bloße Kenntnisnahme zwar in begriffenen Besitz übergehen können, die aber wirklich zu eigen werden allein durch ein die Lebendigkeit zutiefst umbildendes Erlebnis; mit ihm gehen sie in die Gestaltung von Seele und Welt ein und werden fraglos-eigener Sinn.<< Sofern die Initiationen unter dem Bild einer Krankheit verlaufen, können sie als Modell dienen für einen Erkrankungsverlauf, der zu einer Heilung führt, die über die Möglichkeiten und Fertigkeiten des zuvor bestehendes Zustandes hinausführt. Wir können hier von einer >>P LUSHEILUNG << sprechen, einer Konzeption, die unserem westlichen medizinischem Denken bisher nicht genügend gewürdigt wurde. Wenn eine nomadische Jäger- und Sammlergesellschaft sesshaft wird und zur Agrarwirtschaft übergeht, verändert sich das bisherige klassenlose Gefüge in immer komplexere soziale Schichtungen. In diesem gesellschaftlichen Entwicklungsprozess scheint der Schamane zu verschwinden und durch Spezialsten, die einzelne Aspekte der Schamanenrolle übernehmen, ersetzt zu werden. Der Aspekt des Heilens wird von Medizinmännern, Heilkundigen, später Ärzten und Fachärzten übernommen, wobei es zu einer S PALTUNG in Organmedizin einerseits und Psychotherapie andererseits kommt. Die heutige psychosomatische Medizin stellt ein erneutes Bindeglied dar. Der Bezug zu den Geistern, den Ahnen, wird von Priestern übernommen. Die ernormen darstellerischen Fähigkeiten der Schamanen (Tanz, Pantomime, Gesang, Musik, Gewandgestaltung, Erzählung der Mythen des Stammes) werden von den verschiedenen künstlerischen Gattungen aufgegriffen und autonom weiterentwickelt. Die Rolle und die Kenntnisse der Schamanen als des >> ÄLTESTEN B ERUFS DER W ELT << leben in den genannten Berufsgruppen fort. Die hier anschließend an den Schamanismus dargestellten Initiations-phänomene bei Priestern, Künstlern und Psychotherapeuten stellen also keine willkürliche Auswahl dar: Die genannten Berufsgruppen gehören zur >>E RBENGEMEINSCHAFT DER S CHAMANEN <<, sie haben in ihnen ihr gemeinsame beruflichen Vorfahren. Damit ist nun auch bereits die erste These dieses Buches benannt: Es geht um den Nachweis, das spontan S ELBST -I NITIATIONEN , in wesentlichen Strukturelementen den Schamaneninitiationen vergleichbar, ein aktuelles Phänomen sind. Initiationen finden heute statt, zumeist allerdings unerkannt, im Verborgenen, unter anderen, oft hinter psychiatrischen Begriffen und Eingriffen versteckt. Für den Ablauf der Initiationen hat der Ethnologe van Gennep eine transkulturell gleich bleibende Abfolge herausgearbeitet. Sein dreischrittiges Modell umfasst eine S ÉPERATION , die L ÖSLOSUNG vom alten Status mit Löslösungsriten, eine M ARGE , die Umwandlungszeit mit Riten der Wandlung, und eine A GRÉGATION , die Einführung in den neuen Status mit Angliederungsriten.
Alltagsbewußtsein [...] ... Bereiche in uns zu öffnen, Grenzen zu passieren die für das Alltagsbewußtsein verschlossen sind . [...] [...] Es ist dann nicht nur die Frage nach der H ERKUNFT UND DEM T OD , sondern viel mehr noch die Frage: Wo stehe ich heute angesichts meiner kulturellen Abstammung, wenn ich heute angesichts meiner kulturellen Abstammung, wenn ich mit so vielen Lebensentwürfen, Religionen und Überzeugungen anderer Menschen aus anderen Kulturen konfrontiert werde und damit notwendigerweise meine eigenen Überzeugung relativiert werden ? In dieser Situation sich immer wieder >>gründen<< zu können, Kontakt zu bekommen zu ureigensten Bedürfnissen, wie auch zu uns allen verbindenden Gemeinsamkeiten, bei Anerkenntnis aller Unterschiede, ist eine konkret zu erlebende Hilfe. Die Jenseitsreisen der Schamanen sind uns heute keineswegs vollkommen fremde, nicht nachvoll-ziehbare Erfahrungen einer fernen Kulturstufe. Die Fähigkeit, Jenseitsreisen zu erleben (sei es als N AH -T ODES -V ISIONEN ), Drogenerfahrungen, Nacht- oder Wachträume etc., ist in uns allen angelegt die Frage ist lediglich, ob wie und wozu wir diese Fähigkeiten nutzen. [...]